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Erfolgreich kommunizieren können

"Ein Mensch kann aufhören zu sprechen, er kann aber nicht aufhören, mit dem Körper zu kommunizieren." Erving Goffman 1971

Vor einigen Monaten wurde ich auf die Babyzeichensprache aufmerksam. Ich bin Kommunikationsexpertin und immer auf der Suche nach Möglichkeiten des menschlichen Miteinanders. Ich selbst bin, in Folge einer schweren Autoimmunerkrankung, auf meinem rechten Ohr fast taub und auf dem linken Ohr sehr schwerhörig; ich trage zwei Hörgeräte und bewege mich in der Regel in der Lautsprache. Ich habe aber auch fortgeschrittene Kenntnisse der Deutschen Gebärdensprache.

Babyzeichen, was ist das? Warum mit Babys in "Zeichensprache" sprechen, bevor sie reden können? Warum nicht abwarten, bis sie sprechen können? Ich wurde also neugierig und lernte Frau König kennen und... ich war beeindruckt. Ich schaute mir die kleinen Filme zur Zwergensprache an und hospitierte in einem Kurs.

Da ich seit einiger Zeit mein eigenes Handicap z. T. zu meinem Beruf gemacht habe und mir die Kommunikationsmöglichkeiten hörgeminderter Menschen ein besonderes Anliegen sind, finde ich es ganz wunderbar, wenn sog. normalhörende und andershörende Kinder eine andere Sprache miteinander erlernen können. Es war schon immer von Vorteil, neben der eigenen noch eine oder mehrere Sprachen zu beherrschen. Um zu lernen, um zu begreifen, muss sich jeder Mensch einen Begriff machen können. Lautsprachliche Begrifflichkeit reicht nicht aus, u.a. nicht bei einem Hörhandicap. Schon 1781 wies Immanuel Kant, im Übrigen selbst hörgeschädigt, auf dieses Phänomen hin, indem er schrieb, dass es "ebenso notwendig" (sei), "seine Begriffe sinnlich zu machen als, seine Anschauungen sich verständlich zu machen". Die Babyzeichensprache ist sinnlich und spricht mehrere Sinne an. Je mehr Sinne aktiv sind, je mehr Kommunikationskanäle sich öffnen, umso besser!

Ein Hörproblem stellt sich als Handicap erst in der sozialen Interaktion dar; d.h. dass hörgeminderte Menschen in der zwischenmenschlichen Kommunikation erst dann erheblich beeinträchtigt sind, wenn diese ausschließlich auf der lautsprachlichen Ebene passiert. Viele Erwachsene, denen ich begegne, haben große Schwierigkeiten, mir z.B. etwas zu notieren, wenn ich es nicht verstanden habe. Es ist ihnen peinlich, die Kommunikationsebenen zu mischen, zu sprechen, zu zeigen, zu schreiben, zu gebärden. Warum eigentlich? Die Babyzeichensprache ist eine gute Möglichkeit, verschiedene Kommunikationsformen gleichzeitig zu benutzen; Kinder sind wissbegierig und neugierig. Ich stelle immer wieder fest, dass sie auch neugierig sind auf mein Handicap. Es ist ihnen nicht peinlich, etwas zu zeigen oder etwas aufzuschreiben, wenn sie das schon können. Ganz im Gegenteil, sie sind stolz, dass sie mit mir erfolgreicher kommunizieren können als z.B. ihre Eltern. Das sind sehr schöne Erfahrungen.

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